Page 3 - Bau Aktuell - Oktober 2017
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EDITORIAL
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,
das war sie also – die Bundestagswahl 2017. Glaubt man den Uiguren der tinten- schwarzen Zunft, war es eine Zeitenwende. Einerseits, weil es keine richtige Volks- partei im Sinne von relativen Mehrheiten mehr gibt, andererseits weil die AfD als drittstärkste Kraft in den Bundestag einzieht. So richtig kann ich den Begriff Zei- tenwende dabei allerdings nicht verstehen. Denn einerseits hat sich seit Monaten abgezeichnet, was auf uns zukommt. Andererseits ist Demokratie eine Einrichtung, die es den Menschen gestattet, frei zu entscheiden, wer an allem schuld sein soll. Und genau so begründen die Meinungsforscher die sogenannten Wanderungsbe- wegungen zu Gunsten vor allem der AfD.
So wie die Regierungsbildung mit nunmehr sechs Parteien im Bundestag schwieriger
wird, so ist Politik jedoch am Ende Ergebnis eines immer komplexer werdenden Zeitgeschehens mit sich überschlagenden Meldungen, deren Wahrheitsgehalt und Fake-News nicht immer auseinanderzu- halten sind. Und erfahrungsgemäß bringen schwierige Regierungskoalitionen vice versa Schwierigkei- ten auch für unsere politische Interessenvertretung hervor. Das hängt vor allem damit zusammen, dass Fakten im zunehmenden Maße parteipolitisch ins jeweilige (interessengedämmte) Licht gerückt werden und damit möglicherlicherweise Übereinstimmungen und Aktionen nur nach der Größe der jeweiligen Schnittmengen möglich werden.
So ist es jetzt schon absehbar, dass die Antipoden Ökologie und Wirtschaft, Bestandserhaltung und Neubau im Straßenbau, Anreize zum Bauen etc. nicht unbedingt leichter und dadurch beflügelt wer- den, obwohl sich auch die kommende Bundesregierung in einer an und für sich komfortablen Situation befindet, weil genügend Geld für Investitionen vorhanden ist. Da darf man mit Fug und Recht gespannt sein, in welche Kanäle und welche zentralen Projekte und Vorhaben investiert werden wird. Man darf in diesem Sinne auch neugierig sein, wer am Ende die für die Bauwirtschaft wichtigen Ressorts der Wirt- schaft, des Bauens, der Digitalisierung, der Umwelt und des Verkehrs übernimmt.
Aber warum soll es in der großen Politik einfacher gehen als im Kleinen? Auch in der Verbandspolitik, wo ja an und für sich der wirtschaftliche und vernünftige Sachverstand spitirus rector sein sollte, gibt es Zickenkrieg, der bisweilen nur mit ungläubigem Kopfschütteln quittiert werden kann. Meint in diesem Sinne wieder einmal die Vorstellung einiger Handwerksverbände, die glauben, ohne nach links oder nach rechts zu schauen, Verträge zur Anwendung der Sozialkassen des Baugewerbes (überwiegende Arbeitstätigkeit) mit der Brechstange verhandeln zu können. Dabei vergessen sie, dass nicht die Fähig- keit zur Problemverursachung sondern die Entscheidungen zeigen, welch Geistes Kind man wirklich ist. Mit dem gleichen Maßstab lassen sich auch die ersten Verhandlungsrunden zum Mindestlohn in diesem Jahr charakterisieren. Anstatt den Spatz in der Hand zu nehmen, sieht die IG Bau nur die Taube auf dem Dach. Den Mindestlohn II im Osten einführen zu wollen, mag ein aus der Vergangenheit überführtes, mittlerweile aber kaum durchsetzbares Ziel der Gewerkschaft sein. Vielmehr gilt es doch, die Prakti- kabilität der Mindestlohnkontrolle in den Vordergrund zu stellen und ferner Sorge dafür zu tragen, dass ein Verdrängungswettbewerb auch über Tarifverträge unterbunden wird. Dann verstehen die tarifge- bundenen Betriebe, warum es sich lohnt, in einem Arbeitgeberverband mitzumachen. In dem einem wie in dem anderen Fall bleibt die Hoffnung, dass die Beteiligten zur richtigen Entscheidung kommen und sei es auch nur, weil der Weg zur falschen gerade nicht frei war.
In diesem Sinne hoffen wir, dass kein allzu großes Störfeuer, aus welcher Ecke auch immer, die bauwirt- schaftlichen Rahmenbedingungen negativ beeinflussen – da werden wir uns als Ihr Spitzenverband mit allen Kräften gegen stemmen!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Georg Schareck
Hauptgeschäftsführer
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BAUAKTUELL  Baugewerbeverband Schleswig-Holstein  Oktober 2017
Foto: BGV SH


































































































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