„Wir machen das!“

Die Bauwirtschaft zeigt ihre Stärke beim SH-Bauwirtschaftstag 2016

Kiel. Der Bauwirtschaftstag des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein hat in diesem Jahr im Maritim Hotel Bellevue Kiel stattgefunden. Am 8. Juli um 14.30 Uhr kamen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien zu der gut besuchten Veranstaltung zusammen.

Besonderer Gast der Nachmittagsveranstaltung war Reinhard Meyer, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie in Schleswig-Holstein. Gleich nach der Eröffnung des Bauwirtschaftstages durch den Vorstandvorsitzenden des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein, Thorsten Freiberg, hat Meyer zum Thema
„Moderne Bauwirtschaft als starker Partner für die Infrastruktur“ gesprochen.

In seiner Begrüßungsrede hat Freiberg, Planungssicherheit und bessere Rahmenbedingungen für den Mittelstand am Bau gefordert, um die großen Herausforderungen der Zukunft insbesondere in Wohnungsbau sowie Straßen- und Tiefbau meistern zu können. Mit dem Grundtenor der Bauwirtschaft „Wir machen das!“ zeigte Freiberg die Stärke einer der umsatzstärksten Branchen im Produktivsektor auf. Der Verband forderte für seine Mitglieder in den Innungen des Landes eine wachstumsund investitionsfördernde Landespolitik. Gleichzeitig betonte Freiberg die Rolle der Bauwirtschaft als Partner der Landesregierung.

Die Baubranche zeige ein positives Wachstum und die Baukonjunkturindikatoren würden auf eine weiterhin stabile Entwicklung der Baukonjunktur im Land hindeuten, so Freiberg. Dazu trügen auch die öffentlichen Investitionen und Förderungen bei. Erfreulicherweise setze sich im Moment in Politik und Verwaltung die Erkenntnis durch, dass erhebliche Investitionen notwendig sind, um ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Aber“, so Freiberg: „Der Erkenntnis müssen auch Taten folgen!“

„Wir sollten uns mit Blick auf verschiedene Marktentwicklungen fragen, ob wir heute wirklich noch für die Ewigkeit bauen wollen und müssen. Wir müssen uns fragen, ob wir immer höhere Standards wollen, gegossen in diverse Industrienormen und Bauvorschriften. Sie verteuern das Bauen deutlich und scheinen nicht mehr praxisgerecht. Wir haben bereits Lösungen präsentiert“, sagte Freiberg und bezog sich dabei auf das von der Bauwirtschaft entwickelte Projekt zu zertifiziertem und reproduzierbarem Wohnraum „Schneller Wohnraum – bauen mit IQ“.

Freiberg plädierte für Neubauten mit einem nachfrageorientierten Lebenszyklus auch unterhalb von 30 bis 40 Jahren. Darüber hinaus machte er sich für den Bestandersatz stark. „Die Bauforschungseinrichtung ARGE Kiel hat gezeigt, dass bei zahlreichen Wohnungen eine energetische Sanierung nicht wirtschaftlich und altersgerechte Umbauten nicht möglich sind“, so Freiberg. Die Forderungen des BGV SH zum Wohnungsbau würden die Bauzeiten beschleunigen, die Kosten senken und gleichzeitig den Betrieben helfen, vernünftige Umsatzrenditen zu erzielen. Denn die Teuerungen am Bau seien überwiegend auf gestiegene Materialkosten und Verordnungen zurückzuführen, nicht auf Gewinne der Betriebe.

Investoren warten darüber hinaus auf einen steuerlichen Anreiz seitens der Politik. Mit dem gerade bekannt gewordenen Aus der steuerlichen Förderung des Wohnungsneubaus habe die Große Koalition den Menschen, die in den Ballungsgebieten eine Wohnung suchen, einen Bärendienst erwiesen, ein absolut negatives Signal für die bundesweite Bau- und Wohnungswirtschaft gesandt und politische Realitätsferne bewiesen.

Ein weiteres großes Thema der Rede des BGV-Vorstandvorsitzenden war die Verkehrsinfrastruktur. Freiberg lobte, dass die notwendigen Investitionen in die Landstraßen, die unstrittig über alle Parteien und Institutionen hinweg festgestellt worden seien, nun angegangen würden. Allerdings kritisierte er aufs Schärfste den zunehmenden Trend zum Geschäftsmodell der öffentlich-privaten Partnerschaft ÖPP im Bereich der Bundesfernstraßen. Dies führe zu einer Marktmonopolisierung von wenigen Konzernanbietern unter Ausschluss des Mittelstandes für Zeiträume bis zu 30 Jahren und mehr.

Ein vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) und weiteren Verbänden in Auftrag gegebenes Forschungsvorhaben hatte ÖPP als mittelstandfeindlich belegt und gleichzeitig Lösungsansätze präsentiert, die den Markt auch mit ÖPP für mittelständische Unternehmen öffnen. Freiberg mahnte wirtschaftliche Lösungen an und auch unter diesem Aspekt ÖPP zu überdenken.

Die Bauwirtschaft sei bereit, ihre Lösungskompetenz in allen baurelevanten Bereichen einzubringen. Allerdings seien hierfür verlässliche politische Rahmenbedingungen notwendig. Ein immer präsentes Anliegen des Baugewerbeverbandes ist die dauerhaft höhere Investitionsquote der Landeregierung mit einem berechenbaren höheren Bauetat. „Wir plädieren für Planungssicherheit, auch als Posten im Landeshaushalt“, so Freiberg. „Wir machen uns hier durchaus auch die Kritik des Landesrechnungshofes zum Haushalt des Landes zu eigen. Mit Taschenspielertricks a la Impuls 2030 wird der Investitionsbedarf trotz sprudelnder Einnahmen bei den öffentlichen Haushalten nicht gedeckt.“

In seiner Rede ging Wirtschaftsminister Meyer auf die Tatkraft des Baugewerbes ein. Laut UVNord Konjunkturumfrage sei die Situation in der Bauwirtschaft insgesamt erfreulich und werde weiterhin positiv bewertet. „Und das kommt nicht von ungefähr, denn es wird viel investiert – von privaten ‚Häuslebauern’, die die günstige Kreditlage nutzen, bis hin zur öffentlichen Hand. Bund und Land investieren jetzt und in den kommenden Jahren kräftig in die Infrastruktur – in Straßen und Wasserstraßen, Brückenbauwerke und Schienenprojekte, aber auch – und das verstehe ich auch unter Infrastruktur, und zwar besonders zukunftsrelevante Infrastruktur – in den Ausbau der Breitbandversorgung“, so Meyer.

Der Minister nannte eine Reihe von geplanten und bereits durchgeführten öffentlichen Investitionen. Beispielsweise stelle die Landesregierung 2016 allein für die Sanierung der Landesstraßen 47 Mio. Euro zur Verfügung, also mehr als das Dreifache der Vorgängerregierung. Im vergangenen Jahr seien in Schleswig-Holstein 10.300 Wohnungen fertiggestellt worden, die Zahl der Baugenehmigungen sei um fast sieben Prozent gestiegen.

Meyer: „Das Land investiert nicht nur in Infrastruktur und Breitband, es kümmert sich auch darum, dass umwälzende Prozesse wie die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Alltagsleben intensiv begleitet und mit passgenauen Instrumenten unterstützt wird. Bei all dem brauchen wir aber starke Partner. Und die moderne Bauwirtschaft ist ein solcher Partner!“

Der Baugewerbeverband Schleswig-Holstein versteht sich nicht nur als politische Interessensvertretung für seine Mitgliedsunternehmen. Mit Blick in eine erfolgreiche Zukunft der Mitgliedunternehmen spielen viele besondere Themen der Branche auch im Rahmen des S-H Bauwirtschaftstages eine Rolle.

Im Anschluss an die Ministerrede richtete Gerhard Winkler, Geschäftsführer der Zertifizierung Bau GmbH, Berlin, mit seinem Vortrag „Die EU und das Baugewerbe“ den Blick auf europäische Zusammenhänge. Er erläuterte, was sich aktuell im Vergaberecht und im Zusammenhang mit Bauprodukten bewegt und welche wesentliche Rolle die EU dabei spielt. Er ging dabei auf den Konflikt zwischen europäisch harmonisierten und damit für den Binnenmarkt verbindlichen Baustoffnormen und den nationalen öffentlichrechtlichen Anforderungen ein.

Beim Branchenkompass stellte Gerhard Hollenz von der BRZ Deutschland GmbH mit BIM „Building Information Management“ die neue, innovative Bausoftware auch für größere Bauprojekte vor.

Dem Kurzseminar folgten zwei Vorträge. Christof Tatka, Geschäftsführer perfakta.SH e.V., präsentierte mit dem Benchmarking Bau ein in Schleswig-Holstein bundesweit immer noch einmaliges Steuerungsinstrument zu Kalkulation und Risikoabschätzung für die Baubranche. Ralf Hermes, Vorstand IKK Nord, zeigte Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Krankenkassen im Betrieb sowie Instrumente einer Work-Life Balance-Strategie auf. Dieser Aspekt wird für die Betriebe unter den Gesichtspunkten Arbeitnehmerbindung und -gewinnung immer wichtiger.

Im Anschluss präsentierte Rhetoriktrainer Hein Hansen aus dem Institut Michael Ehlers GmbH, mit „Der Fisch stinkt vom Kopf“ einen außergewöhnlichen Vortrag. Der Buchautor und Motivationsexperte für Führungskräfte trug dabei zu Fragen der Führungskultur vor. Zum Ausklang des SH-Bauwirtschaftstages gab es Gelegenheitzum zwanglosen Treffen auf der Terrasse.

Download der Pressemeldung als PDF