Page 3 - Bau Aktuell - Mai 2022
P. 3

   Editorial
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,
manchmal hat man keine Wahl. Unser Bundesfinanzminister und auch der Bundes- wirtschaftsminister wollen uns darauf einschwören, dass Deutschland ärmer wird. Dies ist vor allen dem hohen Preisvortrieb geschuldet.
und Materialengpässen (vor allem auch we- gen der Russlandsanktionen), gelingt es im Tagesgeschäft nicht immer, diesem den ihm gebührenden Platz in der Wahrnehmung einzuräumen. So hat gerade Nordrhein- Westfalen im Bundesrat versucht, eine mit- telstandsfeindliche Regelung für Baupro- jekte einzuführen. Unter dem Deckmantel der sicherlich begrüßenswerten Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung sollten auch Bauvorhaben nicht mehr in Fach- und Teillosen vergeben werden. Wir haben mit einem Brandbrief an unseren Wirtschafts- minister, Dr. Bernd Buchholz, erreichen können, dass er dies in der Aussprache des Bundesrates als mittelstandsunfreundlich zurückgewiesen hat. Wir werden jetzt in der Ausschussarbeit nachhaken, um drohendes Unbill von unserer Bauwirtschaft fernzu- halten.
Manchmal hat man aber auch die Wahl. Wir haben sie am 8. Mai bei unserer Landtags- wahl. Eine Wahl ist dann vorbei, wenn die Stimmabgaben erfolgt sind. Auch hier gilt es wieder, sich nicht nur am Wahl-O-Mat zu orientieren, sondern mit Blick auf die ökono- mische und ökologische Transformation, die die Parteien fast alle in ihren Programmen festgeschrieben haben, zu bewerten. Und letztlich mit dem Blick auf das Machbare das Wünschenswerte auf ein realistisches Maß zu reduzieren. Wem das am besten ge- lingt, der wird für unser Land die Weichen am besten stellen können. Das wird schon noch spannend genug!
Wir hoffen, Ihnen allen in diesem Heft den Blick über den Tellerrand zu öffnen. Entge- gen mancher landläufigen Meinung verste- hen wir diese Entwicklungen eher positiv, dass das Wasser im Glas halbvoll ist. Vieles von dem, was diskutiert und in nächster Zu- kunft entschieden wird, bedeutet nämlich auch Marktchancen. Ergreifen wir Sie!
Ihr
Während Minister Christian Lindner mehr oder weniger „Getriebener, co- rona- und kriegsbedingter Einbrüche in Lieferketten, Sanktionsfolgen und koaliti- onsbedingte Umstrukturierungen in der na- tionalen Industriepolitik“ ist, nimmt Minister Robert Habeck dieses Szenario als flankie- rende Argumentationshilfe zur Umstruktu- rierung unserer nationalen Ökonomie her. Das bekommen wir gerade am Bau hautnah mit. Denn nach wie vor liegt ein gewich- tiges Augenmerk zur CO2-Reduzierung in Deutschland auf Neubauten und dem Bau- bestand. Das ist per se ja nichts Neues. Es wird jedoch jetzt sehr stark durch den Ver- zicht von Öl, Kohle und Gas fokussiert. Auf Neudeutsch heißt das Dekarbonisierung.
Die Begründung wird – quasi ablenkend vom ursprünglichen Green Deal – nunmehr kriegsfolgenbedingt neu definiert. Weil das in der Bevölkerung leichter zu verkaufen ist. Da muss man schon achtgeben, wohin die Reise gehen soll. Schelm ist, wer da auf komische Ideen kommt. Etwa auf Idee, dass die enorme Preisentwicklung für Baustoffe, gerade auch im Straßenbau, als willkommener Anlass genommen wird, wenn Projekte deutlich ver- zögert werden oder aus Kostengründen gar nicht erst zur Realisierung gelangen – insbe- sondere bei der öffentlichen Hand.
Wie sehr man mit Zahlenspielereien aufpas- sen muss, zeigt Tempo 100 auf deutschen Autobahnen, Tempo 30 innerstädtisch. Das hochgerechnete Einsparpotenzial liegt bei 2,1 Mrd. Litern Sprit. Das hört sich nach ei- ner gewaltigen Menge an. Bezogen auf 67 Mio. Kraftfahrzeuge beträgt die Ersparnis pro Kraftfahrzeug jedoch nur rund 30 Liter pro Jahr. Ähnliches gilt für die CO2-Reduk- tion. Rein theoretisch ist sie erreichbar. Praktisch nicht. Jedenfalls nicht in den vor- gesehenen zeitlichen Räumen. Geschweige denn im Bestand. Will man mit dem Team Habeck immens hohe Stromkosten für Luft- Wärmetauscher in Kauf nehmen, weil die baulichen Grundvoraussetzungen zu einer optimalen Nutzung im Bestand eines Ge-
bäudes nicht gegeben sind, wird eine solche dekarbonisierte Heizung, selbst zuzüglicher Nutzung von Photovoltaik, zu einem teuren Zuschussgeschäft. Wie dann nach den Vor- stellungen von Bundesbauministerin Klara Geywitz 400.000 Wohnungen jedes Jahr zu akzeptablen Preisen im Markt entstehen sollen, ist selbst mit modularer beziehungs- weise serieller Bauweise seriös nicht öko- nomisch darstellbar.
Wir haben gerade in unserem neu gegrün- deten Arbeitskreis Nachhaltigkeit den ers- ten Schritt gemacht, einen Überblick zu be- kommen, aus welchen Quellen sich welche Rechte und Pflichten jetzt beziehungswei- se in absehbarer Zukunft für Baubetriebe speisen sollen. Das eine ist der Megatrend „Nachhaltiges Bauen“. In diesem ist wenig überraschend die CO2-Minimierung inklu- diert. Letztere ist jedoch nur ein Teil einer ansonsten mehrstufigen Gesamtbewertung. Redet man also nur über die CO2-Minimie- rung im Sinne einer Klimaneutralität, ist mitnichten bereits eine Aussage über die Nachhaltigkeit gegeben.
Wer sich mit diesem Thema näher ausein- andersetzt – alle Betriebe werden dies wohl früher oder später machen müssen – stellt fest, dass es bereits etliche Datenbanken für Baumaterialien (ökologische Bewertung), Zertifizierungssysteme für Bauwerke und weiteres gibt. Wir werden Ihnen hierzu zeit- nah im Web eine Seite zur Verfügung stellen, die ihnen die zentralen Quellen, Leitfäden, Gutachten und Hilfsinstrumente bis hin zu QM-Systemen anbietet. Das erfolgt ähnlich wie unsere „Digitools“ zur Digitalisierung. Geplant ist außerdem, den nachhaltigen Leistungsumfang unserer Innungsbetriebe zusammen mit der VHV, mit Vero e.V., mit der IKK – Die Innovationskasse und anderen Partnern auf der diesjährigen NordBau auf einem neuen Meeting-Point zu präsentieren.
In diesem diffusen Gemisch aus immer noch spürbaren Coronafolgen (die Lieferketten aus China sind nach wie vor unterbrochen)
3
  Autor
RA Georg Schareck Hauptgeschäftsführer g.schareck@bau-sh.de
    BAU AKTUELL 2 2022
/ Die Bauwirtschaft im Norden
 Quelle: BGV SH















































































   1   2   3   4   5