Page 5 - Bau Aktuell - Mai 2022
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   NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL I
BAUWIRTSCHAFT
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NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL II
FACHBEREICH + BETRIEBE
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 bestimmungen zu debattieren, dreht sich die Diskussion verstärkt um Embargos und Versorgungssicherheit.
„Die ökonomischen Verwerfungen infolge des Ukraine-Krieges dürften Deutschland in diesem und im kommenden Jahr insgesamt rund 90 Milliarden Euro an Wirtschaftsleis- tung kosten“, so die Experten des Kieler In- stituts für Weltwirtschaft in ihrer Frühjahr- sprognose. Wenngleich die Bauwirtschaft unisono die Sanktionen gegen Russland nachdrücklich unterstützt, werden diese zu Belastungen der heimischen Bauwirtschaft, die getragen werden müssen. In Deutsch- land und auch bei uns in Schleswig-Holstein werden die Folgen des russischen Krieges auf die Bautätigkeit immer sichtbarer (siehe Seite 10f und 13). Umso wichtiger erscheint es Experten und Politikern, auf Nachhaltig- keit zu setzen – bei Energie und Ressour- cen. Das kommt nicht nur der staatlichen Souveränität, sondern auch dem Klima zu- gute. Und da ist man wieder bei den Baube- stimmungen. Denn letztlich hängt alles mit allem zusammen, wie es bereits vor mehr als 200 Jahren Alexander von Humboldt er- kannte.
Deutschland soll bis 2045 Treibhausgasneutralität erreichen
2045 soll Deutschland Treibhausgas(THG) neutralität erreichen, 2050 strebt die Bun- desregierung negative Emissionen an. Ins- gesamt entfallen auf Gebäude in der EU 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen. Dies verteile sich vor allem auf die Phasen Bau, Nutzung, Renovierung und Abriss, so der Bericht der Europäischen Kommission.
InDeutschlandhabenGebäudeeinenähnli- chen hohen Anteil am Gesamtenergiebedarf und an den Treibhausgasemissionen. Aber auch in den anderen Bereichen des Bauens ist Nachhaltigkeit vonnöten. Hier ist ebenso die Politik gefragt. Zu den ambitionierten Klimaschutzzielen gehören beispielsweise im Wohnungsbau, im Bereich Wärme, ent- sprechende Förderkulissen oder im öffentli- chen Bau entsprechende Auftragsvergaben. „Insgesamt muss technologie- und baustof- foffen vorgegangen werden. Es darf keine unnötigen Vorschriften aus der Theorie und keine neuen bürokratischen Hürden geben“, sagt Schareck. Der Wettbewerb sei der Trei-
Klimaschutz im Straßenbau
ber für Innovationen und Technologie – und Baustoffoffenheit führe zu mehr Wettbe- werb, betont auch der ZDB. Es müssen die Möglichkeiten, den Klimaschutz umzuset- zen, an die Rahmenbedingungen angepasst werden. Beispielsweise bei Preissteigerun- gen, Materialverknappung, aber ebenso bei innovativen Ideen.
Denn letztendlich hängt das alles zusam- men. Im Großen, wie Lieferketten bereits in der Pandemie zeigen und ganz aktuell der Krieg in Europa, und im Kleinen auf der Baustelle und in ihrer Einbindung in das große Ganze. Nachhaltigkeit gilt für alle Gewerke und Baubereiche von Hoch- bis zum Tiefbau, vom Fliesenverlegen bis zum Rohrleitungsbau, vom Wohnungsbau bis zur Verkehrsinfrastruktur.
Der ZDB leitet daraus einige Maßnahmen ab, die der Nachhaltigkeit Aufwind geben können. Nachhaltiges Bauen muss nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern immer zugleich wertbeständig und sozialverträg- lich sein. So müssen beispielsweise Abbau- und Herstellungsprozesse für Baustoffe dekarbonisiert und Forschungsaktivitäten auf THG-Neutralität ausgerichtet werden. Das könne allerdings nur auf Basis eines technologieoffenen Innovationswettbe- werbs erfolgen. Auch müssten einheimi- sche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe genutzt werden und die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft durch gesetzliche Rah- menbedingungen erleichtert werden. Hier liegen eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion der öffentlichen Hand. Die Verkehrsinfrastruktur müsse ebenso stra- tegisch weiterentwickelt werden wie die Quartiersansätze einer nachhaltigen Stadt-
planung. Insgesamt brauche das Bauge- werbe stabile Rahmenbedingungen sowie ein einfaches Bewertungssystem für nach- haltiges Bauen, auch für die Information von Bauherren und Auftraggebern.
Letztendlich rückt die Lebenszyklusbe- trachtung in den Fokus der Vorhaben um die Nachhaltigkeit. Denn nachhaltiges Bau- en bedeutet, die Auswahl der Baustoffe, Bauweisen und Nutzungen von Bauwerken unter ökologischen, ökonomischen und bautechnischen Aspekten über den Lebens- zyklus zu betrachten. Es bedeutet auch ein Mitdenken aller Phasen des Lebenszyklus bereits in der Planung und ein Zusammen- wirken aller Akteure. Viele Maßnahmen können bereits in der Praxis umgesetzt werden, einige davon in den Baubetrieben. Beispielsweise: Baustoffe unter ökologi- schen, ökonomischen und bautechnischen Aspekten auswählen; den Lebenszyklus eines Bauwerks berücksichtigen (bei ei- gener Planung); wenn möglich Baustoffe aus dekarbonisierten Abbau- und Her- stellungsprozessen nutzen; Baustoffe mit Kohlenstoffspeicher- und Wiederaufnah- mepotenzial beachten; heimische Rohstoffe und Sekundärbaustoffe einsetzen und res- sourceneffizient arbeiten; Recycling oder Wiederverwendung mitplanen; recycelte Baustoffe wenn möglich einsetzen; durch Digitalisierung und Vorfertigung nachhalti- ger arbeiten; die eigene Baustelle umwelt- freundlich einrichten; Mitarbeitende weiter- hin qualifizieren; eine Bestandsaufnahme betrieblicher Nachhaltigkeitsaktivitäten machen und diese verbessern.
Nachhaltiges Bauen muss insgesamt nach- vollziehbar gemacht und transparent dar-

  BAU AKTUELL 2 2022
/ Die Bauwirtschaft im Norden
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