Baupreisentwicklung im Bauhauptgewerbe

Moderater Anstieg der Baupreise – Kostentreiber ist nicht das Bauhauptgewerbe.

Coronabedingt steigen die Baupreise derzeit nur moderat an, langfristig soll das Bauen aber wieder teurer werden. Die Bauunternehmer gehören nicht zu den Gewinnern der steigenden Preisentwicklung beim Bauen.

 

Nach einem Anstieg der Baupreise in den Jahren davor sind die Baupreise im vergangenen Jahr lediglich moderat um 1,7 % gestiegen, so die vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes Destatis. Das lag zum Teil an der sich abschwächenden Nachfrage in Wirtschaftsund Straßenbau, zum anderen an der Mehrwertsteuersenkung von Juli bis Dezember 2020. Im Straßenbau sind die Neubauleistungen um 0,8 % gestiegen (Vorjahr +6,1 %), ohne die Mehrwertsteuersenkung wären es 2,1 % gewesen.

Der Preisindex für den Wohnungsneubau lag im vierten Quartal 2020 zum ersten Mal seit langem mit -0,1 % im negativen Bereich und liegt über das gesamte Jahr bei +1,6 %, nach dem Ansteigen in 2018 und 2019 um jeweils etwa 4,4 %. Ohne die Mehrwertsteuersenkung wären die Baupreise in diesem Bereich um 2,9 % gestiegen. Nach Untersuchungen der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE-SH) ist die zeitweilig gedämpfte Indexentwicklung eine direkte Auswirkung der Corona-Epidemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen. Neben dem
nachfragebedingten Rückgang der Baumaterialienpreise wirkt sich vor allem das Ausbleiben oder die Verzögerung öffentlicher Aufträge auf die Gestaltung der Kosten- und Preiskalkulationen aus.


„Nach Jahren der Baukrise waren die Betriebe nach dem Bauboom nicht mehr gezwungen, offensichtlich schwache Aufträge anzunehmen und damit erhöhte Risiken einzugehen, aber es bleibt hier die Entwicklung der Coronapandemie abzuwarten. Einige Bauunternehmen sehen sich
derzeit wieder gezwungen, Angebote so niedrig zu kalkulieren, dass kein Gewinn, aber eine Kostendeckung erwirtschaftet wird“, Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer von Die Bauwirtschaft im Norden. Daher sein Appell an die Politik, die öffentlichen Aufträge wie ehemals geplant zu verstetigen, Verzögerungen zu verhindern und die Aufträge im Land zu lassen.

„Wir erwarten kein weiteres, mittel- oder langfristiges Absinken der Preisentwicklung“, so die Prognose von Schareck. Die Baupreise vor allem im Wohnungsbau würden nach oder durch Corona aufgrund der weiterhin hohen Nachfrage wieder anziehen. Nun könnte man meinen, die Bauunternehmen würden bei der Preisentwicklung eine Schippe drauflegen und damit hohe Gewinne einfahren. „Das ist aber nicht so, denn der Baumarkt funktioniert anders. Unsere Baubetriebe unterliegen einem Wettbewerb und gerade auch bei öffentlichen Ausschreibungen wird das billigste Angebot, das letztendlich nicht das wirtschaftlichste sein muss, vorgezogen“, so Schareck. Das zwinge zu realistischen Kalkulationen.

„Wir haben in Schleswig-Holstein überwiegend Klein- und mittelständische Betriebe und die haben nur geringe Umsatzrenditen“, sagt Schareck. Nach den Betriebsvergleichen von perfakta.SH e.V. – Handwerk in Zahlen liegen die Hauptgründe hierfür vor allem in Fehlkalkulation der Zeitansätze sowie ungeplanten Kostenerhöhungen. „Einhergehend mit den Preissteigerungen sinken zudem die Gewinnmargen, denn viele Betriebe können die Kostensteigerungen nicht an ihre Kunden weitergeben, da das die Baupreise zu massiv erhöhen würde“, erklärt Schareck.
Da die Bauunternehmen es nicht sind, wer sind also die Kostentreiber beim Bauen? Neben der allgemeinen Teuerungsrate sind es die Kostenerhöhungen bei Material, Deponien und Energie, die steigenden Arbeitskosten und vor allem die steigenden Bauwerkskosten, die für die
hohen Baukosten sorgen.


Trotz coronabedingter Preissenkungen sind die Materialkosten und Rohstoffpreise stark gestiegen. Laut Hauptverband der Bauindustrie lag der Preis für Bitumen im Dezember 2020 um 56 % über dem des Jahresbeginns 2016 und der für Betonstahl um 37 %. Hinzu kommen höhere Preise bei den Rohstoffen, beispielsweise durch Lieferengpässe bei Kies und Sand, höhere Transportkosten,
unter anderem durch den Anstieg der Dieselpreise, sowie steigende Kosten der Deponien für die Lagerung von Erdaushub und Baustoffen.
Was ebenfalls zu Buche schlägt sind die Tarifabschlüsse der jüngeren Zeit. Der Tarifabschluss im Mai 2018 mit einer Laufzeit von 26 Monaten lässt die Arbeitskosten um 5,8 % steigen.

Der tarifliche Mindestlohn 1 ist 2019 und 2020 zusammen um 6,8 % und der Mindestlohn 2 um 3,0 % gestiegen, hinzu kommt ein weiterer Anstieg 2021.
Dietmar Walberg, Hauptgeschäftsführer der ARGE-SH, bezeichnet den Anstieg der Baupreise nicht als Explosion. Hingegen sei die Entwicklung der Bauwerkskosten dramatisch. Hier benennt er als Kostentreiber vor allem den technischen Ausbau mit einer Kostensteigerung von 160 %
zwischen 2000 und 2020 (nicht Bauhauptgewerbe) sowie den konstruktiven Bereich des Ausbaus mit 77 % Kostensteigerung. Die niedrigste Kostensteigerung mit 41 % entfällt auf den Rohbau. Hier liege die Entwicklung zwar über der allgemeinen Teuerung, aber noch unter den Veränderungen bei den Baupreisen.

Über viele Jahre hinweg seien die gesetzlichen und normativen Rahmenbedingungen preistreibend gewesen. Das hat die ARGE-SH auch detailliert in ihrem Baukostengutachten „Gutachten zum Thema Baukosten und Kostenfaktoren im Wohnungsbau Schleswig-Holstein“
belegt. Im Einzelnen bedeutet das: gestiegene Auflagen für Energieeffizienz und verschärfte Energieeinsparvorschriften, erhöhte Qualitätsansprüche an Standards wie barrierefreies Bauen, erhöhten Schallschutz oder Kfz-Stellplätze sowie weitere kommunale oder behördliche Auflagen. Die Untersuchungen zeigen, dass die Qualitätsstandards im Hinblick auf die Bauwerkskosten inzwischen ausgereizt sind.

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