Page 9 - Bau Aktuell - April 2017
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Das europäische Dienstleistungspaket, das die Europäische Kommission am 10. Ja- nuar vorgelegt hatte, stößt im Deutschen Handwerk, seinen Verbänden und Gewerk- schaften auf massiven Widerstand. Nicht zuletzt als Reaktion auf diesen Widerstand haben Bundestag und Bundesrat eine Sub- sidiaritätsrüge eingelegt und damit starke Zeichen in Richtung Brüssel gesendet.
Das Deutsche Handwerk bekennt sich ausdrücklich zum europäischen Bin- nenmarkt, lehnt allerdings das geplante
Dienstleistungspaket ab. Dieses führe zu einem grundsätzlichen Abbau von Berufs- reglementierungen und würde die beste- henden Gesetzgebungskompetenzen der nationalen Gesetzgeber aushöhlen.
Zum Dienstleistungspaket gehört die Ein- führung einer europäischen elektronischen Dienstleistungskarte. Diese soll ein Dienst- leister in seinem Herkunftsland beantragen können, um in anderen Mitgliedsstaaten Dienstleistungen zu erbringen, ohne dafür weitere Genehmigungen einholen zu müs- sen. Der Aufnahmestaat muss die Dienst-
leistungskarte akzeptieren und kann keine weiteren Anforderungen stellen.
Des Weiteren sollen die EU-Mitgliedsländer künftig prüfen, ob ihre Berufsreglementie- rungen verhältnismäßig und angemessen sind und dies nachweisen. Der geplante bürokratische Verhältnismäßigkeitstest bei reglementierten Berufen greife in unzuläs- siger Weise in die Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers ein, so die Kritik der Verbände.
„Die duale Ausbildung und die Reglemen- tierung von Handwerksberufen sind ein Grundpfeiler des wirtschaftlichen Erfolgs und haben zu einer vergleichsweisen nied- rigen Jugendarbeitslosigkeit geführt. Das bewährte System der dualen Ausbildung inklusive der Meisterpflicht darf nicht ange- tastet werden,“ so Robert Feiger, Bundes- vorsitzender der IG BAU.
Auch das deutsche Handwerk appellierte an die Europäische Kommission, die Vorteile eines qualifikationsgebundenen Berufszu- gangs endgültig anzuerkennen und diesen nicht fortwährend als Wettbewerbshinder- nis zu diskreditieren.
n n n BA
Widerstand gegen europäisches Dienstleistungspaket
JA zum Binnenmarkt NEIN zum Dienstleistungspaket
Es wird befürchtet, dass neue Einfallstore für Schwarzarbeit geschaffen würden. Die Dienstleistungskarte führe das Herkunfts- landprinzip durch die Hintertür ein und ge- fährde bestehende Kontrollrechte innerhalb Deutschlands. „Die Europäische Kommis- sion konnte uns mit ihrem Vorschlag nicht überzeugen, dass mit der elektronischen Dienstleistungskarte die Kontrolle von Arbeitsbedingungen weiter möglich sein wird. Eher erscheint es so, dass die Grün- dung von Briefkastenfirmen gefördert und Scheinselbständigkeit erleichtert wird“, sagte ZDB-Präsident Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein.
In Brüssel wird unbeschadet der kriti- Kommentar zum EU-Vorhaben ren unter dem Siegel der Handwerksso- schen Untertöne aus allen Mitglieds- lidarität erwarten. Sonst haben am Ende
staaten zwar die Meisterpflicht in Deutsch- land als solche wohlwollend betrachtet. Mit Blick auf den boomenden deutschen Binnen- markt wird jedoch fleißig daran gearbeitet, diesen für europäische Unternehmen und Betriebe unter dem Siegel der Dienstleis- tungsfreiheit weiter zu öffnen.
Das meint im Klartext, dass andere mit dem nunmehr diskutierten EU-Dienstleistungspa- ket vereinfacht in den deutschen Markt hin- einkommen können und das unbeschadet der Regelungen, die hier ansässige Betriebe und Unternehmen beachten müssen. Denn, so die EU-Vertreter noch jüngst im Gespräch, man sei ja schließlich für die „Inländerdiskrimi- nierung“ in Deutschland, weil hausgemacht, nicht zuständig. Die vom ZDB in seiner Stel- lungnahme verfasste klare Kante der Ableh- nung dieser Maßnahmen wird zur Kenntnis
Rechtsanwalt Georg Schareck, Hauptge- schäftsführer BGV SH
genommen, aber wegen der unterstellten Verteidigung der Zugangshemmnisse in den deutschen Markt nur schwerlich greifen.
Ich denke, dass es sich lohnt, klare Kante zu zeigen, nicht nur das zu tun, was die ande-
die europäischen Skeptiker gegenüber dem Handwerkssystem in Deutschland recht, wenn sie unterstellen, dass ein System aus den frühen 50-iger Jahren des letzten Jahr- hunderts für die Aus- und Fortbildung im dualen System gut ist, für den allgemeinen Wirtschaftsmarkt jedoch schlecht sei. Und dass man darauf keine Rücksicht zu nehmen bräuchte.
Wie weit diese Entsolidarisierung gehen kann, zeigt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nur dann eine Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen verlangt werden kann, wenn diese bundes- einheitlich vorhanden ist. Wird dies seg- mentiert und nicht mehr für alle Fälle glei- chermaßen bei Bauleistungen eingehalten, werden ausländische Betriebe als Anbieter in Deutschland begünstigt. n n n BA
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Foto: Pat Scheidemann
Foto: Helene Souza / pixelio.de
BAUAKTUELL  Baugewerbeverband Schleswig-Holstein  April 2017


































































































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