Page 19 - Bau Aktuell - Juni 2018
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1. Ein Bauunternehmer darf sich grund- sätzlich auf die Kenntnisse eines Sonderfachmanns verlassen, er hat sie nur auf offenkundige, im Rahmen seiner eigenen Sachkunde ohne Wei- teres "ins Auge springende" Mängel zu überprüfen.
2. Von einem Zimmermann kann nicht erwartet werden, dass er bei Vorlie- gen einer vollständig bemaßten Dach- stuhlzeichnung deren Übereinstim- mung mit der statischen Berechnung überprüft.
OLG Naumburg, Urteil vom 10.05.2017 - 5 U 3/17;
BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - VII ZR 142/17 (Nichtzulassungsbeschwerde ver- worfen)
Zum Sachverhalt: Ein Bauherr beauftragt einen Architekten mit der Vollarchitektur
für ein Einfamilienhaus. Die gesondert be- auftragte Statik sieht vor, dass die Dach- sparren mit einem Abstand von 70 cm ein- gebaut werden sollen. Der Architekt erstellt eine hiervon abweichende Ausführungspla- nung, die einen Sparrenabstand von 98 cm vorsieht. Auf der Basis dieser vollständig bemaßten Dachstuhlzeichnung erstellt der Zimmerer den Dachstuhl. Es stellt sich he- raus, dass die vom Architekten vorgegebe- nen Sparrenabstände zu einer deutlichen statischen Überlastung führen. Die Spar- renabstände hätten - wie in der Statik vor- gesehen - einen Abstand von 70 cm einhal- ten müssen, so dass der Dachstuhl baulich ertüchtigt werden muss. Der Bauherr ver- langt nun Kostenvorschuss zur Mängelbe- seitigung vom Zimmerer.
Entscheidung: Der Zimmerer hat seine Prüf- und Hinweispflicht nach Ansicht des Gerichts nicht verletzt. Maßgeblich ist, ob
dem Zimmerer bei der von ihm als Fach- unternehmen zu erwartenden Prüfung Bedenken gegen die geplante Ausführung (mit dem Sparrenabstand von 98 cm) hät- ten kommen müssen. Dabei darf sich der Bauunternehmer grundsätzlich auf die Erkenntnisse eines Sonderfachmanns ver- lassen, er hat sie nur auf offenkundige, im Rahmen seiner eigenen Sachkunde ohne Weiteres "ins Auge springende" Mängel zu überprüfen
Nach dem hierzu eingeholten Sachverstän- digengutachten kann aus technischer Sicht von einem Zimmermann nicht erwartet wer- den, dass er bei Vorliegen einer vollstän- dig bemaßten Dachstuhlzeichnung deren Übereinstimmung mit der statischen Be- rechnung überprüft. Der Zimmerer durfte darauf vertrauen, dass die Ausführungspla- nung des Architekten der Statik entspricht.
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FACHTHEMEN RECHT
    Mangel durch ungeeignete Vorleistung am Beispiel Dachstuhl
1. Der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers entfällt, wenn das Werk für den Auftraggeber ohne Wert ist.
2. Weist das Werk erhebliche Mängel auf und muss es deshalb neu hergestellt werden, ist es für den Auftrag- geber wertlos.
3. Der Auftragnehmer haftet auch dann, wenn die von ihm hergestellte Leistung mangelhaft ist und die Man- gelursache (auch) im Verantwortungsbereich eines Vorunternehmers liegt. Etwas anderes gilt, wenn der Auftragnehmer seine Prüfungs- und Bedenkenhinweispflicht erfüllt hat.
OLG Schleswig, Urteil vom 31.07.2015 - 7 U 95/14 ■ vorhergehend: LG Kiel, 12.06.2014 - 11 O 128/12 ■ nachfol- gend: BGH, Beschluss vom 22.11.2017 - VII ZR 215/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
 Hinweise: Eine weitere Entscheidung, wel- che die Bedeutung der Pflicht zur Prüfung der Eignung des Vorgewerks für die eigene Leistung unterstreicht. Sie betrifft einen Zimmerer, der seinen Dachstuhl auf einer erkennbar mangelhaften Vorleistung er- richtet hat. Der Dachstuhl wäre nach dem Gutachten des Sachverständigen neu her- zustellen gewesen, weshalb der Auftragge- ber die Arbeit nicht bezahlen musste. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei den Pultdächern im oberen Bereich das Mauerwerk fehle, auf welchem der Ring- balken aufgebaut werde, auf dem dann die Dachsparren auflagerten.
Der zweite wesentliche Mangel betraf die nicht ausreichende Festigkeit des Betons. Der Beton, auf dem Werk des Zimmerers aufbaute, hatte zum Zeitpunkt der Errich- tung des Dachstuhls nicht die erforderliche Festigkeit erreicht und der verwendete Be- ton wies insgesamt - erkennbare - erhebli- che Qualitätsmängel auf.
Der Unternehmer musste sich von der ausreichenden Festigkeit des Betons über- zeugen, da die Festigkeit der Ringbalken Voraussetzung für die Durchführung sei- nes Gewerks war. Die Mängel des Betons ergaben sich ohne weiteres daraus, dass
bei ihrem Versuch, die Mutter am ersten Ankerbolzen der Schwelle zur Verankerung der Fußpfette anzuziehen, der Bolzen aus- brach und ein Teil des Betons des südlichen Ringbalkens abplatzte.
Bereits aufgrund dieses Umstandes war nicht nur die fehlende Aushärtung, sondern auch die mangelhafte Gefügestruktur des Betons erkennbar.
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     BAUAKTUELL  Baugewerbeverband Schleswig-Holstein  Juni 2018










































































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