Page 3 - Bau Aktuell - Februar 2018
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EDITORIAL
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,
wie gut ist gut genug? 10 % gesamt? Sind die wirtschaftlichen Eckdaten für die konjunkturelle Lage gut genug, um die Forderungen der IG Bau für die Tarifrunde 2018 zu rechtfertigen?
Gebetsmühlenartig bemühen die Gewerkschaften, egal welcher Branche, in Zeiten, in denen die Wirtschaft konjunkturell positi- ve Ergebnisse schreibt, dass es gerade dann darauf ankäme, die Arbeitnehmer an den wirtschaftlichen Erfolgen ihrer Arbeitgeber teilhaben zu lassen. Genauso gebetsmühlenartig schallt es von der anderen, der Arbeitgeberseite, zurück, dass es fatal wäre, den Bogen zu überspannen. Interessanterweise hat es in den letzten Jahrzehnten zwischen diesen Antipoden immer wieder wirtschaft- lich vernünftige Abschlüsse gegeben, die im Sinne der gefunde- nen Kompromisse beiden Seiten und Ansichten Rechnung tragen konnten.
Fakt ist aber auch, dass Lohnpolitik kein Arbeitsplatzbeschaf- fungsprogramm ist. Das zeigen die deutlichen Lohnzuwächse in unserer Baubranche, wonach trotz erheblicher Lohnzuwächse in den letzten zehn Jahren kaum mehr Arbeitsplätze geschaffen wur- den. Umgekehrt findet in Deutschland nach wie vor eine Markt- konzentration statt, wonach Betriebe ihre Nischen finden, in grö- ßeren Verbünden zusammenarbeiten oder Baumanagement sowie industrielle Fertigung dazu beitragen, dass die Zahl der Betriebe abnimmt. Mit der Hälfte der Arbeitnehmer konnte zum Vergleichs- jahr 2000 mit rund 40 % weniger Betrieben ein deutlich höherer Umsatz erzielt werden.
Demnach, so scheint es, sind tarifpolitische Forderungen alleine noch Klientelpolitik für die jeweiligen Gewerkschaftsmitglieder. Für alle anderen, die nicht gewerkschaftlich orientiert sind, ist es schön, wenn sie auf diesem Zug mitfahren können. So sind die IG Bau-Forderungen zur Tarifrunde 2018, die im Februar startet, mit Vorsicht zu genießen. In der Gesamtsumme aller Einzelpunkte zu- sammengerechnet weit über 10% liegend, zeugen sie nicht gerade von tarifpolitischem Realitätssinn.
Auch vor dem Hintergrund beachtlicher Probleme mit allgemein- verbindlich erklärten Tarifverträgen erschließen sich Querschüs- se gegen den gerade gefundenen „Burgfrieden“ nicht. Man ist in diesem Zusammenhang versucht, der IG Bau entgegenzuhalten, was denn wichtiger sei: Die Allgemeinverbindlichkeit auch mit Wirkung für nicht organisierte Betriebe oder ein kaum spürbares Netto-Anheben von Zusatzentgelten zugunsten der „wenigen“ IG Bau-Mitglieder?
Erneut zu vermissen ist, dass mit wenig tarifpolitischer Phantasie nicht mehr Netto vom Brutto bei den Arbeitnehmern verbleibt so- wie nicht daran gedacht wird, was denn eigentlich passiert, wenn die Bauwirtschaft mal wieder krankt. Dann wird das Geheule und Zähneklappern groß sein, wenn ohne diese Voraussicht das hohe Entgeltgitter in Tarifverträgen zu einer Belastung wird, die die Ta- rifbindung weiter erodieren lässt. Auch das ist kein neuer Befund – alleine die Tatsache, dass man ihn immer wieder vortragen muss, liegt im System begründet.
Wir haben mit unseren Mitgliedern des sozialpolitischen Aus- schusses in unserem Landesverband die Sachlage ausführlich diskutiert und unseren Verhandlungsführer Kai Boysen gebeten, die hier gefundenen Rahmen auf der Bundesebene zu vertreten. Wir haben darüber hinaus vereinbart, uns nach dieser Tarifrunde zusammenzusetzen und zu überprüfen, welche Möglichkeiten es für unseren Landesverband gibt. In Zeiten, in denen es den meisten Betrieben relativ gut geht – sieht man von der nach wie vor doch deutlich zu niedrigen Nettorendite ab – zu überprüfen, wie diese tarifpolitischen Rituale zugunsten von Betrieben und ihren Arbeit- nehmern modifiziert werden können.
Der Befund zur Tarifpolitik wundert nicht, wenn der Blick auf die schwierige Regierungsfindung auf Bundesebene fällt. Auch hier sind die üblichen Rituale festzustellen, die den Blick darauf ver- stellen, in welchen Arbeitsfeldern mit welchen Rahmenbedingun- gen welche Handlungsoptionen möglich sind bzw. geöffnet werden sollten. Es ist enervierend, wenn Bundespolitiker immer wieder „den Menschen“ und „die Wählerinnen und Wähler“ in den Fokus rücken, ohne auf die wirklich wichtigen Fragen und Leitlinien, die einem Regierungshandeln immanent sein müssten, zu antworten.
Es müsste in Berlin doch langsam aufgefallen sein, dass das Be- schwören und Diskutieren nur einzelner Politikfelder ohne den Gesamtzusammenhang herzustellen, zunehmend schwieriger wird und zu Politikverdrossenheit führt. Es reicht eben nicht, Digi- talisierung in den Mund zu nehmen, ohne gleichzeitig den Bewer- tungsbefund, das eigene Ziel und den Weg dahin, zu formulieren. Mit Blick um das Regierungsgeschachere in Berlin fehlt vielleicht doch der in Schleswig-Holstein festzustellende „frische Wind“ auch neuer Politikträger, die den Muff des Etablierten mit Zielen und Hoffnungen füllen können?
Ziele und Hoffnungen haben wir mit unseren Betrieben und unse- ren Arbeitnehmern für 2018 reichlich. Davon finden Sie in diesem Heft wieder die traditionellen Bewertungen zur Bauwirtschafts- lage namhafter Persönlichkeiten. Nicht nur die Tarifrunde 2018, sondern auch Schwerpunkte wie Digitalisierung für Betriebe so- wie Verbesserung und Verstetigung des Leistungsangebotes des Verbandes und seiner Innungen werden in diesem Jahr im Fokus stehen. Die Weichen hierzu wurden bereits im vergangenen Jahr gestellt und mit den vorläufigen Arbeitsergebnissen kann ich Ihnen versichern, dass dies ein spannendes Jahr 2018 wird.
In diesem Sinne freue ich mich zusammen mit meinem Team im BGV auf die weiterhin gute und konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen allen, wünsche Ihnen viel Erfolg, auskömmliche Preise und ein hervorragendes 2018!
Ihr Georg Schareck
Hauptgeschäftsführer
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BAUAKTUELL  Baugewerbeverband Schleswig-Holstein  Februar 2018
Foto: BGV SH


































































































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