Page 3 - Bau Aktuell - April 2018
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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,
„Kurios“ kann vieles bedeuten. Aberwitzig und eigenartig, skurril bis lächerlich. Ich bin
fast versucht zu sagen, es ist kurios, wenn man sich bestimmte Theaterwelten im deut-
schen Blätterwald und der Medienlandschaft anschaut. Nach 5 Monaten komplizierter Re-
gierungsbildung (der Wählerwille hat schließlich entschieden und nicht das Wunschkonzert einiger Parteioberer) haben wir wieder eine Bundesregierung. Schon während der Entstehungsphase und auch jetzt, bekrittelt unter dem eigenartig bis bi- zarren Vorwurf begleitet, man würde den „Aufbruch“ vermissen bis hin, dass die Ziele der neuen Bundesregierung vom „Geist der absoluten Staats xierung“ getragen werden. Seltsam, dass derartiges vor allem von dem Mann zu hören ist, der für den Niedergang der FDP vor einigen Jahren mitverantwortlich war. Seltsam auch vor dem Hintergrund des Aufbruchswillens der Grünen, die diese damit offenbar ruhigstellen anstatt konstruktiv die Herausforderungen anzugehen.
Denn es ist ja nicht neu, dass dieses Jammern auf hohem Ni- veau einzigartig ist, bedenkt man, dass es „den Deutschen“ über alles noch nie so gut ging. Umso ungewöhnlicher bis abs- trus schon fast, dass wir uns selbst einige Schlüsselindustrien, wie die Kfz-Branche, so zurechtlegen, dass wir sie mit einer seltsamen Lust an der Zerstörung in einer Spitzentechnologie stückweise auf den Abgrund zurasen lassen. Und dabei viele sachverständige Stimmen gar nicht erst zur Anhörung brin- gen, die zumindest einen sachgerechten Umgang mit der Ma- terie anmahnen.
Seltsam auch, dass seit Dobrindtscher Lesart in der letzten Legislatur, beim Umgang mit Betrug durch die Autoindustrie nicht auf eine auf Schadenersatz begründende Anspruchs- grundlage zu setzen ist. Abgedreht dabei, dass mit Milliarden- aufwand die Elektromobilität gefördert und gestützt werden soll, die andererseits nachweislich die apostrophierten Ziele deutlich verfehlen und den Klimawandel nicht aufhalten wird. So wird Prof. Ben Marzeion von der Uni Bremen zitiert, „alle 500 Meter Autofahrt geht ein 1 Kilo Gletschereis verloren.“ Das fällt nicht nur aus dem Rahmen, sondern ist so grotesk ko- misch, dass dem guten Professor offensichtlich die Atemnot durch Vulkanausbrüche zu schaffen macht, die mit deutlich höherem Schadstoffausstoß sein Denkvermögen beeinträch- tigt haben. Mit genau dem gleichen Argument müssten wir die Massentierhaltung, weil methangasintensiv durch Abgase, in Toto abschaffen.
Im Sinne von kurios verquer ist auch das, was die IG BAU uns in diesem Jahr in der Tarifrunde zumuten will. Nicht nur den allgemeinen Forderungskatalog aus dem sogenannten tarif- politischen Geleitzug von idR 6 % auf das Entgelt möchte sie von den Bauunternehmern haben, sondern noch rund 25 % mehr, in dem das 13 ME in Schleswig-Holstein nicht nur wie- der eingeführt, sondern auf 100 % des durchschnittlichen Jah- reslohnes festgelegt wird. Dazu kommen weitere Forderungen in einer politischen Ausrichtung, die damit begründet werden, man brauche diese „Anreize“, um Mitarbeiter für die Betriebe gewinnen zu können.
Abgesehen davon, dass höheres Entgelt idR und nachweislich in der Vergangenheit in einem Arbeitnehmermarkt, wie wir ihn seit einiger Zeit haben, nicht ausschlaggebend ist. Darüber hinaus verkennt die IG BAU in seltsam verschwenderischem Verteilungsmanierismus fast schon sozialistischer Couleur,
dass Nettogewinnmargen erstens erwirtschaftet werden müs- sen, zweitens nicht proportional zum Umsatz anzusehen sind und drittens leistungsbezogene Ergebnisse darstellen.
Nun will die IG BAU aber gerade nicht über leistungsbezo- gene Systeme für das Entgelt mit uns sprechen, sondern wie bisher über einen gleichmacherischen Verteilungsspielraum vorgegebener Lohngruppen diskutieren. Bizarr ist dabei, dass völlig aus dem Auge verloren wird, dass die Tarifverträge idR Mindestarbeitsbedingungen festschreiben und nicht zu ge- sellschaftlichen Wunschkonzerten und deren Finanzierung taugen. Wollen die Tarifvertragsparteien derartige Themen aufgreifen und lösen, ist das Instrument der verhandelnden Tarifverträge hierzu ungeeignet.
Man darf also gespannt sein, ob in der nunmehr dritten Ver- handlungsrunde Mitte April nach den hoffentlich tiefenent- spannenden Feiertagen Einsicht eingekehrt oder erst P ngs- ten mit der erleuchtenden Wirkung abgewartet werden muss. Nämlich dahingehend, Bundesebene Bundesebene und Lan- desebene Landesebene (wir haben unsererseits Kontakte / Vorstellungen) sein zu lassen und nicht durch unselige Ver- quickungen nicht miteinander zusammenpassender Materien einen Abschlussbund vielleicht sogar unmöglich zu machen.
Ich würde mir wünschen, dass auf der Bundesebene ein zügi- ges Verhandlungsergebnis entsteht, das zustimmungsfähig ist. Und dass darüber hinaus der Hype um die sogenannte Digitali- sierung am Bau daraufhin untersucht wird, wie sich unser Bau und auch die Arbeitsbedingungen zukünftig verändern werden, wenn die Digitalisierung in dem Tempo weiter zunimmt. Denn darauf hat die IG BAU bis heute keine Antwort. Diese werden wir jedoch brauchen, wenn wir zu leistungsgerechten Entloh- nungssystemen in einer immer schnelllebigeren Zeit auch bei der Arbeitswelt am Bau kommen werden.
Es gibt also wieder viel zu tun! Packen wir es gemeinsam an!
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen zum bevorstehenden Os- terfest besinnliche Feiertage und zum Ende der Winterbauar- beitszeit weiterhin auskömmliche Aufträge!
Ihr Georg Schareck
 Hauptgeschäftsführer
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     BAUAKTUELL  Baugewerbeverband Schleswig-Holstein  April 2018
Foto: BGV SH














































































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