Page 26 - Bau Aktuell - Mai 2022
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  26 NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL I BAUWIRTSCHAFT PARTNER NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL II FACHBEREICH + BETRIEBE
 Fachkräfte händeringend gesucht
Situation und Lösungsansätze zur Fachkräftesicherung am Bau
400.000 Wohnungen sind zu bauen, tausen- de Brücken sollen saniert werden und die Klimawende mit verschiedensten Bauaufga- ben steht auf der To-Do-Liste. Aber wer soll das machen? Die mittelständische Bauwirt- schaft jedenfalls steht bereit, diese Aufga- ben zu erfüllen; aber auch sie braucht Fach- kräfte und berufserfahrene Arbeitskräfte.
Am 22. Oktober war es endlich soweit, mit leichter Verspätung fand der bereits 4. exklusive HBZ*Mitgliedertag auf dem schles- wig-holsteinischen Aschberg statt. Knapp 35 Mitgliedsbetriebe trafen sich zu einem inten- siven Erfahrungsaustausch unter Kollegen – nach dem Motto „Von Euch für Euch“.
In den vergangenen etwas mehr als zehn Jahren hat die Branche rund 220.000 Ar- beitsplätze neu geschaffen, allein im ver- gangenen Jahr waren es 19.000. Kann das so weitergehen? Oder anders herum ge- fragt: Woher kommen die Arbeitskräfte, die zukünftig die Bauaufgaben in Deutschland erfüllen?
Um Lösungen zu entwickeln, ist der ZDB mit Vertretern aus der Bundespolitik, der Arbeitsagentur und vielen weiteren Exper- ten im Austausch. Als öffentliches Format hatte der Verband das Thema in der virtuel- len Veranstaltung "Bauaufgaben ohne Ende - aber keine Fachkräfte? am 23. März 2022 thematisiert. Experten haben sich geäußert und ebenso wie Politiker Lösungsansätze diskutiert.
Die Ausgangslage: Bereits in der Herb- stumfrage 2021 haben 71 Prozent der Bau- unternehmen angegeben, dass der Fach- arbeitermangel der Hauptgrund für die Behinderung von Bautätigkeiten sei. Dabei haben die Bauunternehmen in Deutsch- land ihre Kapazitäten ausgebaut, von knapp 716.000 Mitarbeitern 2010 auf 920.00 in 2021. Die Ausbildungsquote beträgt in der Branche knapp 5 Prozent. Die Ausbildungs- zahlen stiegen von 2010 mit 30.000 Lehrlin- gen auf 42.500 in 2021.
Die Betriebe werden bei der Ausbildung durch die obligatorische Berufsbildungs- umlage entlastet. Der Bau bietet Lehrlin-
Gesprächsrunde bei der Veranstaltung des ZDB: (v.l.n.r.) Beate Müller-Gemmeke MdB (Bündnis90/Die Grünen), Carl-Julius Cronenberg MdB (FDP), Tanja Samrotzki (Moderation), Dr. Jan-Marco Luczak MdB (CDU/CSU), Rasha Nasr MdB (SPD)
  gen viele attraktive Bedingungen, von der hohen Ausbildungsvergütung bis zu den attraktiven Karrierechancen. Ein Baustein ist ferner die Möglichkeit, an regionalen, nationalen und internationalen Berufswett- bewerben teilzunehmen.
Lehrlinge, Fachkräfte und Helfer gesucht
Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Immer noch wird das Studium häufig bevor- zugt, zudem nimmt die Zahl der Schulabsol- venten kontinuierlich ab. Gleichzeitig müs- sen altersbedingte Abgänge kompensiert werden, so gehen bis 2030 rund 140.000 Baubeschäftigte in den Ruhestand. Das bedeutet, dass die Auszubildenden gerade einmal die der Ausscheidenden kompen- sieren würde, ein Arbeitsplatzaufbau ohne Quereinsteiger aus anderen Branchen wäre nicht denkbar, so ZDB- Hauptgeschäftsfüh- rer Felix Pakleppa. Es bestehe allerdings nicht nur Bedarf an Fachkräften, sondern auch an Bauhelfern. Daher müsse der Blick ebenfalls ins Ausland gehen und gezielt Fachkräfte und Helfer akquiriert werden.
Für die Herstellung der für ein klimaneut- rales Deutschland benötigten Investitions- güter werden im Jahr 2035 im Inland rund 770.000 Arbeitskräfte zusätzlich gebraucht, so Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Etwa ein Drittel entfallen auf die Bauwirtschaft, da- von alleine 200.000 auf das Ausbaugewerbe.
Traditionell beschäftigt der Baubereich vie- le Migranten, der Anteil liegt derzeit bei 20
Prozent. Über Entsendungen aus der EU hinaus, die stagnieren, müsse es Zuwande- rung aus weiteren Staaten geben. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollte hier Abhilfe schaffen. Doch es sei zu kompliziert und sperrig und es sei noch viel nachzubes- sern, insbesondere für Hilfskräfte, so Pak- leppa. Das Gesetz sei also wenig tauglich. Auch hierzu diskutierte die Gesprächsrunde mit Vertreten der maßgeblichen Bundes- parteien. Im Fazit sind sich die Politiker und Experten einig, dass es mehrere Bausteine gebe, den Fachkräftebedarf zu begegnen, darunter vor allem die Definition Deutsch- lands als Einwanderungsland und eine Stärkung der Ausbildung, auch im Vergleich zum Studium.
Beschäftigte in Schleswig-Holstein
BGV-Vorstand Thorsten Freiberg fordert seit langem von der schleswig-holsteinischen Landespolitik mit Blick auf den demografi- schen Wandel, das große Engagement des Handwerks bei der Aus- und Weiterbildung junger Menschen anzuerkennen sowie die Gleichwertigkeit von beruflicher und akade- mischer Bildung umfassend sicherzustellen.
In Schleswig-Holstein stellten 2021, so das Statistikamt Nord, Kleinbetriebe mit weni- ger als zehn Beschäftigten 73 Prozent aller Betriebe, der Anteil größerer Betriebe mit zehn bis 99 Beschäftigten lag bei 26 Prozent, der der Großbetriebe mit 100 und mehr Be- schäftigten lag unter einem Prozent. 25 Prozent der Beschäftigten waren in Klein- betrieben tätig, 63 Prozent in mittelgroßen
  BAU AKTUELL 2 2022 / Die Bauwirtschaft im Norden
Quelle: ZDB / Hill














































































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