Page 11 - Bau Aktuell - Mai 2022
P. 11

   NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL I
BAUWIRTSCHAFT
PARTNER
NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL II FACHBEREICH + BETRIEBE 11
  Lieferengpass beim Bitumen
15,5 Milliarden Kubikmeter Beton verbaut. Als klimaschädlich wird der Zementanteil im Beton angesehen, er ist für sieben bis acht Prozent der CO2-Emmissionen weltweit verantwortlich. Die deutsche Zementindus- trie arbeitet daran, ihren CO2-Ausstoß bis 2050 auf null herunterzufahren. Allerdings ist Beton auch ein Garant für eine lange Le- bensdauer von Bauwerken und absorbiert in dieser Zeit CO2 im zweistelligen Prozentbe- reich, wie Wissenschaftler errechnet haben.
Beim Wohnungsbau spielen mineralische Baustoffe eine große Rolle, ebenso Energie- verbrauch und Treibhausgasemissionen. „Da 72 Prozent der deutschen Wohngebäu- de aus Mauerwerk gebaut werden, besteht für die Mauerwerksindustrie eine beson- dere Verantwortung in Sachen Nachhal- tigkeit und Klimaschutz“, so der Deutsche Ausschuss für Mauerwerk DafM. Neben Abbau und Herstellungsprozessen rückt das Recycling in den Fokus. Bauschutt aus Mauerwerk werde zu ca. 94 Prozent stofflich verwertet und zu 78 Prozent recycelt. Damit erreiche es im gängigen End-of-Life-Szena- rio der Baustoffe eine hochwertige Abfallhi- erarchiestufe, so der DafM.
„Vor dem Hintergrund des jährlichen Bedarfs an Gesteinskörnungen von ca. 587 Mio. Ton- nen liegt es nahe, mineralischen Abbruch im Wirtschaftskreislauf zu halten und aufbe- reitet als Sekundärbaustoff zu verwerten“, so der ZDB. Im Straßen- und Tiefbau finden Recyclingbaustoffe bereits standardmäßig Verwendung. Im Hochbau muss der Einsatz, auch von den gesetzlichen Rahmenbedin- gungen her, weiter gestärkt werden. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft im Bau ist
ein wichtiger Hebel für Nachhaltigkeit beim Bauen. Bauwerke von heute sind quasi die Rohstoffquellen für morgen.
Verfügbarkeit und Preisentwicklung sind aktuell die baubestimmenden Einheiten
Auch die Verfügbarkeit und die damit ver- bundene Preisentwicklung bestimmen die Bautätigkeit. Das ist heute aktueller denn je. Der Krieg Putins gegen die Ukraine hat die ohnehin angespannte Rohstoff- und Ma- terialknappheit sowie die Preissituation im Baubereich weiter verschärft. Viele Bauma- terialien stehen nur eingeschränkt und sehr teuer zur Verfügung. Ein Ende dieser Ent- wicklung ist noch nicht absehbar.
In der nahen Vergangenheit war vor allem Holz vom Anstieg der Materialpreise und Lieferengpässe betroffen. Jetzt sind vor al- lem erdölbasierte Stoffe wie Bitumen sowie Stahl, Stahlerzeugnisse und Aluminium, erneut Holz, einige Kunststoffe wie Rohr- leitungen von Preisanstieg und Liefereng- pässen betroffen. Hinzu kommen steigende Energie- und Kraftstoffpreise.
Die Preise für Stahlprodukte sind binnen Zweiwochenfrist um bis zu 50 Prozent ge- stiegen. Rund 30 Prozent des Baustahls kommt aus Russland, der Ukraine und Weiß- russland, ebenso rund 40 Prozent des Rohei- sens. Hinzu kommen weitere Rohstoffe, die für die Stahllegierung notwendig sind. Nickel stammt zu 25 Prozent aus den genannten Ländern, Titan zu 75 Prozent. Bitumen wird aus Erdöl gewonnen und als Bestandteil von Asphalt für den Straßenbau genutzt. Der
Preisanstieg liegt hier bisher bei über 40 Prozent. Erhebliche Preissteigerungen wer- den auch für Holz und Kraftstoffe gemeldet.
Der Preisanstieg ist in keiner Weise von den Bauunternehmern vorhersehbar gewesen und ist nicht von ihnen beinflussbar. Die Preisentwicklungen sind vielmehr wie hö- here Gewalt einzuordnen. Sie überschreiten deutlich die Grenze dessen, wofür die Be- triebe nach der üblichen bauvertraglichen Risikoverteilung einzustehen haben. Daher hatte Die Bauwirtschaft im Norden ihre Be- triebe ermutigt, bei Auftraggebern nachzu- verhandeln. Darüber hinaus sollten sie bei Neuaufträgen von Anfang an Preisgleitklau- seln vereinbaren, um nicht auf den Kosten sitzenzubleiben.
Bauwirtschaft begrüßt Bundeserlass zu Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen
Vor diesem Hintergrund haben Bundesbau- ministerin Klara Geywitz und Bundesver- kehrsminister Volker Wissing einen Erlass veröffentlicht, mit dem das Thema Liefer- engpässe und Stoffpreisänderungen für den gesamten Bundesbau einheitlich geregelt werden soll. Der Erlass des Bundes ermög- licht in der gegenwärtigen Krisensituation die Anwendung der Stoffpreisgleitklausel, mit der Preissprünge während eines Bau- projektes aufgefangen werden sollen. Bis- lang lehnen nämlich viele Vergabestellen die Einbeziehung der Gleitklausel in Verträ- ge ab, da in den einschlägigen Baukosten- indizes noch keine Veränderungen festzu- stellen sind. Dieses Problem wird durch den neuen Erlass behoben.
Für bestimmte Baustoffe wie Stahl oder Bi- tumen wird die Anwendung der Stoffpreis- gleitklausel angeordnet. Damit werden die Bauunternehmen überhaupt erst wieder in die Lage versetzt, Angebote abgeben zu können, betont der ZDB. Weiter wird der Mindestabstand zwischen Angebotsabgabe und Einbau von sechs auf einen Monat ver- kürzt, womit kurzlaufende Bauverträge in die Preisgleitung einbezogen werden. „Jetzt sind Länder und Kommunen aufgefordert, den Erlass in gleicher Weise zu überneh- men“, so die Bauwirtschaft.
Redaktion BAU AKTUELL
  BAU AKTUELL 2 2022
/ Die Bauwirtschaft im Norden
 Quelle: Adobe Stock













































































   9   10   11   12   13