Page 18 - Bau Aktuell - Mai 2022
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  18 NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL I BAUWIRTSCHAFT PARTNER NACHHALTIGKEIT-SPEZIAL II FACHBEREICH + BETRIEBE
 PANTAENIUS EXPERTENFORUM BAU
   Information zu systembedingten Schäden
Im Rahmen des PANTAENIUS EXPERTEN- FORUMS BAU informiert dieser Überblick über die Thematik der systembedingten Schäden.
Schäden an Nachbargebäuden, Straßen, Gehwegen, Kanälen, Leitungen und der- gleichen zählen zum Baualltag und sind – will
man nicht jede Bautätigkeit aufgeben – auch bei bestmöglicher Aufmerksamkeit, da oft systembedingt, nicht zu vermeiden. Es stellt sich damit die Frage, wer von den Vertrags- parteien gegenüber dem Geschädigten haf- tet, wenn sowohl eine optimale Ausschrei- bung, als auch eine perfekte Ausführung vorgenommen, dennoch aber „systembe- dingt“ ein Schaden verursacht wurde.
Will man nicht schon die Tatsache, dass überhaupt gebaut wird, als „Verschulden“ im Sinne des Deliktsrechts einordnen, so scheidet beim Auftreten systembedingter Schäden an Nachbargebäuden die Anwen- dung der Anspruchsregelungen aus dem deliktischen Teil der unerlaubten Handlun- gen, §§ 823 ff. BGB, deshalb aus, weil ge- rade keine Verursachung relevant ist. Dies kann beispielsweise durch nicht hundert- prozentig vermeidbare Verformungen eines
optimalen Verbaus und dadurch eintretende Setzrisse bei angrenzenden Nachbargebäu- den eintreten.
Damit aber kommt auch die interne Haf- tungsregelung zwischen den Bauvertrags- parteien nach § 10 VOB/B nicht zum Tragen, da diese zunächst im Außenverhältnis eine gesamtschuldnerische Haftung voraus- setzt, die mangels Verschuldens nicht ent- stehen kann, auch wenn der objektive Tat- bestand einer unerlaubten Handlung erfüllt ist.
Die Haftung der Vertragsparteien wird durch § 10 VOB/B konkretisiert und deren Vertei- lung bestimmt.
Die „Bauhaftpflichtversicherung“ ist daher in den außerhalb von § 10 VOB/B beschrie- benen Fällen nicht leistungspflichtig, sofern es sich um systembedingte Schäden handelt, welche mangels Verschulden keiner Bauver- tragspartei zugeordnet werden können. Die sich daraus ergebende Frage, wer dann ge- genüber dem Geschädigten haftet, da dessen Schaden zweifelsfrei zu ersetzten ist, lässt sich einfach beantworten:
Der Auftraggeber haftet nach den von der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen zur sog. verschuldensunab- hängigen Haftung. Bei privatrechtlicher Tätigkeit richten sich die Ansprüche nach den Regeln des „nachbarrechtlichen Aus- gleichsanspruchs“ in entsprechender An- wendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (BGH, NJW 1976, 1840; BGH, NJW 1983, 872; BGH, V ZR 311/16). Im Ergebnis wird damit dem Geschädigten ein voller Ausgleich gewährt, während der Bauunternehmer mangels Verschulden nicht zur Rechenschaft gezo- gen werden kann. Dies stellt auch z.B. das OLG Nürnberg (Urt. v. 12.06.1996, Az.: 4 U 3440/95) in einem Fall fest, der durch die Zerstörung eines nicht auffindbaren, alten Hausanschluss-Kanales ausgelöst wurde:
„Wenn der Bauunternehmer ordnungs- gemäß alles unternimmt, um alle Kanä- le im Bereich der Baustelle festzustel- len, er dennoch aber („systembedingt“) einen – auch nicht in Kanalplänen ver- zeichneten – Kanal anbohrt und mit Ze- ment verfüllt, dann könne diesem kein Verschulden zur Last gelegt werden.“
Dies führt zu folgender Lösung:
   BAU AKTUELL 2 2022 / Die Bauwirtschaft im Norden




















































































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